#19: Von radikaler Akzeptanz zu radikaler Selbstliebe (+Buchtipp)
Neulich habe ich das erste Mal von dem Begriff der radikalen Akzeptanz gehört. Ich hatte zuvor schon das wunderbare Buch „Radikale Selbstliebe“ von Gala Darling (mehr dazu weiter unten) gelesen, an das ich mich sofort wieder erinnerte. Ich fragte mich, ob der Titel des Buches möglicherweise an den Begriff aus der Psychologie angelehnt ist, und machte mich an die Recherche. In dem heutigen Beitrag möchte ich dich mitnehmen auf eine kleine Reise von radikaler Akzeptanz über radikale Selbstakzeptanz bis hin zu radikaler Selbstliebe. Kommst du mit? In vollen Zügen lässt sich das leben doch am besten genießen. 😉
Höhen & Tiefen
Auch wenn ich nicht religiös im Sinne von gläubig bin, kann ich (moderner) Spiritualität einiges abgewinnen. Früher, als ich noch manchmal in der Kirche war, mochte ich das Gelassenheitsgebet sehr gern. Ich habe „Gott“ durch „Universum“ ersetzt, um es dir in einer für mich zeitgemäßen Version wiederzugeben:
„Universum, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.”
Der erste Aspekt, Dinge hinzunehmen, die man nicht ändern kann, ist der Kern von radikaler Akzeptanz. Radikale Akzeptanz ist die innere Bereitschaft, die Realität so anzunehmen, wie sie ist – mit all ihren Höhen und Tiefen. Zum Leben gehören Lachen, Freude, Glück genauso dazu wie Weinen, Traurigkeit, Angst. Leid entsteht erst dadurch, dass wir uns gegen etwas wehren, was sich im Moment nicht besonders gut anfühlt. Das Konzept der radikalen Akzeptanz ist Teil der dialektischen Verhaltenstherapie (DBT) und wurde vom Zen-Buddhismus inspiriert. Obwohl es zur Behandlung von Personen mit psychischen Erkrankungen entwickelt wurde, kann jeder Mensch im Alltag vom Grundprinzip der bedingungslosen Akzeptanz profitieren.
Ein praktisches Beispiel: Dir fällt dein Lieblingsglas aus der Hand und es zerbricht in tausend Scherben (ist mir vor kurzem erst passiert). Du könntest jetzt heulen, wütend auf dich selbst sein, dass du so ungeschickt warst, dem Glas hinterhertrauern oder dem Geld, das du einst dafür ausgegeben hast. Aber kannst du es ändern? Sofern du die Kunst des Kintsugi, nachzulesen in diesem Blogbeitrag, nicht beherrschst (die für Glas auch eher nicht geeignet ist), lautet die Antwort nein. Was sagt die Lehre der radikalen Akzeptanz? Wenn du etwas nicht ändern kannst, akzeptiere es. Zucke mit den Schultern, bedanke dich bei dem Glas dafür, wie oft du aus ihm trinken durftest, und nimm dir ein neues.
Schicksalsschläge
Natürlich gibt es weitaus schlimmere Situationen als die, dass ein Glas kaputt geht. Radikale Akzeptanz macht aber auch vor ihnen keinen Halt. Ob bei Schicksalsschlag oder Krankheit: Radikale Akzeptanz bedeutet, all das hinzunehmen, was du nicht ändern kannst. Akzeptiere den Schmerz und er wird schneller vergehen. Ein bekanntes Sprichwort lautet: Der einzige Weg hinaus führt hindurch (the only way out is through). Du musst den Schmerz akzeptieren, ihn zulassen, durchleben, um schneller aus ihm herauszukommen. Leiden entsteht, wenn du versuchst, dein Schicksal zu bekämpfen oder zu verdrängen. Dieser Kampf kostet so viel Kraft und erfordert einen Großteil deiner Energie. Das Akzeptieren der Realität ermöglicht dir hingegen, die Situation zu verarbeiten, Schicksalsschläge zu bewältigen und deine Energie sinnvoll einzusetzen. Die Realität zu akzeptieren bedeutet nicht, dass du Schicksalsschläge positiv sehen musst. Keinesfalls ist damit gemeint, deinen Schmerz zu verleugnen oder zu banalisieren. Es bedeutet nur, die unveränderbaren Umstände anzunehmen statt dagegen anzukämpfen.
Radikale Selbstakzeptanz
Bis hierhin haben wir uns mit dem allgemeinen Konzept der radikalen Akzeptanz beschäftigt. Hierbei geht es darum, Umstände, Situationen, Gegebenheiten zu akzeptieren, die du nicht ändern kannst. Da das Ziel unserer Reise das wunderbare Land der radikalen Selbstliebe ist, müssen wir noch ein Stückchen weiter gehen. Aus radikaler Akzeptanz kann radikale SELBSTakzeptanz werden, wenn wir lernen UNS SELBST so anzunehmen, wie wir sind. Wir können uns weiter mit einem unerreichbaren Idealbild vergleichen und uns Tag für Tag selber dafür fertigmachen, dass wir ihm nicht entsprechen. Wir können die Illusion aufrechterhalten, dass wir nur glücklich werden, wenn wir abnehmen, volleres Haar haben, braungebrannt sind, die Pickel entfernen oder die Nase verkleinern lassen. Doch dies würde ein Leben in Leid bedeuten. Wenn du dich nur auf das konzentrierst, was vermeintlich defizitär an dir ist, blockieren dich diese negativen Emotionen und verbrauchen deine gesamte Energie. Und was noch viel schlimmer ist: Du wirst nie am Ziel der Reise, deinem Traumleben ankommen, weil du einen Weg außen herum gewählt hast. Einen Weg, der dich auf graue Schotterwege des Lebens führt. Akzeptiere dich so, wie du bist – und dir steht die Welt in all ihren Farben und Facetten offen. Höre auf dich zu beschweren über irgendetwas, das dir an dir selbst nicht passt. Denn beSCHWEREN ist genau das: Du machst dir selbst das Leben SCHWERER. Fang an, dir das Leben leichter zu machen, bleib das nächste Mal beim Anblick eines neuen Pickels gelassen und sage dir immer wieder: Ich akzeptiere mich voll und ganz.
Radikale Selbstliebe
Vor ein paar Jahren hat mir eine Freundin das Buch „Radikale Selbstliebe“ von Gala Darling in die Hand gedrückt mit der dringlichen Empfehlung es zu lesen. Ich interessiere mich für alles, was mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun hat. Natürlich sprach mich der Titel direkt an (und außerdem sieht die Frau auf dem Cover ziemlich cool aus), sodass ich der Empfehlung recht schnell gefolgt bin. Dass ich heute meinen Blogbeitrag damit beende, beweist, dass die Lektüre wertvoll für mich war und immer noch in mir nachklingt.
In dem Buch erzählt Gala Darling ihre Geschichte. Sie litt lange unter einer Essstörung, hatte Depressionen und fühlte sich antriebslos und gar nicht liebenswert. In „Radikale Selbstliebe“ schildert sie, wie sie für sich Schritt für Schritt ein Leben voll Fülle und Freude kreiert und gelernt hat, sich selbst wertzuschätzen. Auf ihrem Weg hat sie Methoden ausprobiert, die für den ein oder die andere Leser*in vielleicht ungewöhnlich oder neu waren, wie zum Beispiel Tapping oder Manifestieren – gerade hierin lag für mich der Mehrwert dieses Buches: Mit radikalen, unkonventionellen Methoden sich endlich selbst akzeptieren, so wie man eben ist.
Auf ihrer Website bezeichnet sich Gala Darling als professionelle Optimistin. Ist das nicht cool? Optimistisch sein als Beruf. Von Unsicherheit zu Großartigkeit, von innerem Gefängnis zu einem farbenfrohen Leben, das die wildesten Träume übersteigt: Das kannst du auch schaffen – mit radikaler Selbstliebe.
Radikale Selbstliebe hat übrigens auch ganz viel mit Aufräumen zu tun. Deswegen findest du auch einen Beitrag zu diesem Thema auf meinem Blog. Dich mit deinem Besitz und damit deinen früheren (Konsum-)Entscheidungen auseinanderzusetzen, kann dir helfen, dich wieder mit deinem wahren Ich zu verbinden, zu erkennen, was dir wirklich wichtig ist, und im Einklang mit deinen Werten zu handeln und zu leben. Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, stöbere gerne auf meiner Website oder schreib mir an suddenlyisee@posteo.de. Ich beantworte dir gern alle deine Fragen.
Spiegelgespräch
Hier kommt eine tolle Übung, die angelehnt ist an eine Idee aus Gala Darlings zauberhaftem Buch „Radikale Selbstliebe“.
Stell dich vor einen Spiegel, am besten einen größeren, in dem du dich ganz siehst. Du kannst aber auch nur dein Gesicht in einem kleinen Handspiegel betrachten. Schau dir selbst in die Augen. Was magst du besonders an dir? Was macht dich einzigartig schön? Wofür hast du vielleicht schon mal ein Kompliment bekommen? Wofür würdest du dir selber ein Kompliment geben? Gib nicht sofort auf, wenn du denkst, da wäre nichts. Jeder Mensch ist schön. Jeder Mensch ist einzigartig und besonders. Wenn du partout nichts an dir schön finden willst, probiere diese zwei Vorschläge:
1. Ändere deine Einstellung. Was bedeutet für dich schön? Vergiss das ideale Bild, das die Medien uns präsentieren. Könnte schön nicht auch bedeuten: ungewöhnlich, interessant, stark, lebendig? Wenn du die Bedeutung von Schönheit ummünzt, kannst du dann etwas Schönes an dir finden? Zum Beispiel: Vorher dachte ich, dass nur eine gerade Nase schön sein kann. Jetzt denke ich, dass eine krumme Nase individuell ist und einzigartig. Deswegen finde ich sie schön.
2. Tu so, als ob. Tu einfach so, als würdest du etwas an dir schön finden. Klingt komisch? Funktioniert aber! Es ist erwiesen, dass unsere Gedanken unsere Gefühle beeinflussen, die wiederum unsere Welt konstituieren, und dass dieser Mechanismus auch andersherum wirkt. Das Paradebeispiel, das in diesem Zusammenhang immer genannt wird, ist, dass man sich wirklich besser fühlt, wenn man lacht oder lächelt. Tu einfach so, als ob du dein Gesicht (oder wenn dir das zu viel ist, wähle erstmal eine Partie deines Gesichtes, z.B. deine Augen) schön findest. Wie fühlt es sich an, ein schönes Gesicht zu haben? Wenn du dich nur oft genug so fühlst, wird dieses Gefühl irgendwann deine Realität sein.
Schau also in den Spiegel – du kannst diese Übung regelmäßig wiederholen – und zähl alles an dir auf, was du schön findest. Mach dir selbst Komplimente, trag deinem Spiegelbild ein Liebesgedicht vor, sing für dein Ich (in Gedanken) einen Lovesong – die radikale Selbstliebe stellt sich dann von selber ein.
Radikale Selbstliebe ist ein Prozess
Die Reise von radikaler Akzeptanz bis hin zu radikaler Selbstliebe ist lang, vielleicht lebenslang – sie ist, wie jede Reise, ein Prozess. Doch lass dich davon bitte nicht entmutigen. Mit kleinen Schritten und Veränderungen können wir Großes bewirken (lies dazu auch gern nochmal meinen Blogbeitrag über Kaizen). Denk immer daran: Alle Gefühle – ob angenehm oder unangenehm – haben ihre Daseinsberechtigung. Verdränge deine Sorgen nicht! Steh zu deinen Ängsten! Gib deinen Gefühlen Raum, um ein authentisches Leben zu leben. Was dir dabei helfen kann, ist Achtsamkeit zu praktizieren. Ob achtsames Atmen, Gehen, Essen, Sehen, Hören, Bügeln – konzentriere dich auf das, was du gerade machst, und deine Empfindungen dabei. Treten störende Gedanken oder Gefühle auf, nimm sie wahr und versuch sie ziehen zu lassen. Kehre bewusst mit deiner Aufmerksamkeit zur Tätigkeit zurück. So lernst du Schritt für Schritt, Gegebenheiten zu akzeptieren, sie nicht zu bewerten und ihnen nicht zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Das ist im Prinzip auch das Ziel einer Meditation. Auch Aufräumen kann zur Übung in Achtsamkeit oder zu einer Art Meditation werden. Mehr Informationen zu meinem augenöffnenden Aufräumcoaching findest du hier.
P.S.: Für diesen Beitrag habe ich mich neben dem Buch von Gala Darling von der Website der Sinnsucher inspirieren lassen. Hinter den Sinnsuchern steckt ein kleines Team der Penguin Random House Verlagsgruppe, das ein großes Online-Kursangebot für die Bereiche Persönlichkeitsentwicklung, Beziehungen, Achtsamkeit, Spiritualität und Psychologie zusammenstellt.