#25: Frauenzimmer – Erschaffe einen Ort für dich

Altmodisch

Frauenzimmer. Ähnlich wie das Wort Weib ist die Bezeichnung Frauenzimmer meist abwertend gemeint und wurde entweder für Frauen niederen Standes verwendet oder für solche, die man(n) für unordentlich oder unfähig hielt. Wie der zweite Teil des Kompositums verrät, entwickelte sich der Begriff in drei Schritten: Im Mittelalter zunächst einfach die Bezeichnung der Gemächer einer Frau, anschließend der Name für den gesamten Hofstaat einer Adeligen (der Zofen, Mägde, Knechte und weitere Personen umfasste), wird Frauenzimmer ab dem 17. Jahrhundert schließlich die (diffamierende) Bezeichnung einer einzelnen Frau. Ein altmodischer Begriff aus einer anderen Zeit also, der heutzutage eigentlich nicht mehr – oder wenn, dann historisierend – verwendet wird.

 

Ein Zimmer für sich allein

Mich fasziniert dieses Wort dennoch. Natürlich nicht als abwertende Bezeichnung für eine Frau oder ein Mädchen, sondern in seiner ganz ursprünglichen Bedeutung als ein privater Raum für eine weibliche Person. So gesehen, sage ich: Mehr davon! Jedes Mädchen und jede Frau sollten einen privaten Ort nur für sich allein haben. Selbstverständlich bin ich nicht die erste, die diese Forderung aufstellt. Vielmehr habe ich ein Vorbild: Virginia Woolf. Die britische Schriftstellerin forderte bereits 1929 in ihrem Essay Ein Zimmer für sich allein (engl. A Room of One’s Own), dass man Frauen ein eigenes Zimmer und ein kleines Einkommen geben müsse, damit auch sie große Romane verfassen und Schriftstellerinnen werden können. Doch Raum für sich braucht eine Frau nicht nur, wenn sie literarische Ambitionen hat. Auch gegenwärtig sind Frauen in den meisten Fällen noch diejenigen, die Zuhause bleiben, um sich um Kindererziehung und Haushalt kümmern. Frauen sind ebenfalls meistens diejenigen, die sich um die Pflege Angehöriger kümmern. Kurz: Frauen sind, allgemein gesprochen, altruistisch und stellen sich selbst hintenan. Anderen eine Stütze zu sein ist lobenswert. Sich selbst zu vergessen und für andere aufzuopfern ist es nicht.

 

Eine Metapher für Selbstbestimmung

Wir als Frauen müssen ganz besonders darauf achten, dass wir unsere Kraftreserven nicht für andere aufbrauchen und am Ende ausgebrannt dastehen. Da frage ich mich: Wo laden wir unsere Energie wieder auf? Für mich ist es ein Ort, an dem ich für mich sein kann. Das Frauenzimmer als Metapher meint dabei keinen bestimmten Ort – ja nicht einmal ein richtiges Zimmer ist vonnöten. Vielmehr geht es darum, für sich selbst Freiraum einzufordern. Auf die Me Time zu bestehen, wenn man so will. Die kann man in seinem eigenen Zimmer, aber auch auf einem Spaziergang in der Natur, einem Stündchen im Café oder auch nur in einer Ecke der Wohnung finden, die man gestaltet mit all den Dingen, die man liebt. So betrachtet, geht es bei der Forderung nach einem „Zimmer für sich allein“ um Selbstbestimmung. Höre auf deine Bedürfnisse und stell sie auch mal vor die der anderen!

 

Dein persönlicher Altar

Wenn du kein eigenes Zimmer zur Verfügung hast und trotzdem auch bei dir Zuhause ein Frauenzimmer gestalten willst, wäre mein Vorschlag, dass du zunächst einmal deine Räumlichkeiten sondierst und dir überlegst, wo du am liebsten deine kleine Ecke einrichten willst. Reinige sodann die ausgewählte Ecke. Damit meine ich, dass du alles wegräumst und saubermachst, bis Klarheit herrscht. Dann kannst du dort alles installieren, was dich glücklich macht. Erschaffe dir deinen eigenen kleinen Altar, der nichts mit Gott zu tun haben muss, aber alles mit dir! Welche Lieblingsstücke spiegeln deine Persönlichkeit wider? Welcher Gegenstand inspiriert dich? Du kannst auch Bilder ausdrucken mit Motiven, die dich anregen, eine Kerze oder Pflanzen aufstellen. Mach den Ort zu deinem persönlichen Kraftort, deinem Frauenzimmer.

Bei mir ist es mein geliebter, über 100 Jahre alter kleiner Schreibtisch, der in einer Ecke am Fenster unseres Wohnzimmers steht. Auf ihm steht ein Bilderrahmen, meine Schreibtischlampe und eine tönerne Schale mit Büroutensilien. Im Bilderrahmen befinden sich vier Fotos, die alle etwas mit meiner Familie zu tun haben: Weibliche Vorfahrinnen sind darauf zu sehen oder das Haus meiner Großmutter väterlicherseits, in dem ich meine ersten zwei Lebensjahre verbracht habe. Auf dem Sockel der Lampe liegen zwei besondere Steine, die ich in Italien am Strand gefunden habe, sowie ein Elefant aus Rosenquarz, weil Elefanten zu meinen Lieblingstieren gehören und ich Rosenquarz hübsch finde. Außerdem steht auf meinem Schreibtisch mein schwarzer Klee, den ich hege und pflege – eine echte Augenweide. Links neben meinem Schreibtisch steht ein Korb mit Deckel, in dem ich meine Tage- und Notizbücher, meinen Laptop, Stifte und gesammelte Briefe und Postkarten aufbewahre. Rechts von meinem Schreibtisch steht auf einem Höckerchen eine große Monstera. Ich lebe mit Freund und Hund zusammen, weshalb mein privater Bereich wirklich auf diese Ecke beschränkt ist. Manchmal liegt der Hund auch auf einer Decke zu meinen Füßen, was mein Freiraumgefühl nicht schmälert, sondern stärkt, weil der Hund mich immer wieder daran erinnert, dass ich mir meine Wünsche und Träume selber erfüllen kann. Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze, kann ich mich gut konzentrieren, komme sehr schnell in einen Flow und gehe völlig in der jeweiligen Tätigkeit auf. Ob es große Romane werden? Wer weiß. Mir reicht dieser Ort für mich allein jedenfalls völlig aus – es ist mein Frauenzimmer. Und ansonsten gehe ich raus in die Natur und finde meinen Frieden da.

Und was, wenn du in deiner eigenen Wohnung lebst oder gar ein ganzes Haus für dich selbst hast? Na, dann ist es umso wichtiger, dass dein Zuhause zu deinem Frauenzimmer wird! Und zwar dein ganzes. Schließlich sollte dein Zuhause auch zu 100 % ein „Raum für dich“ sein. Also, räum deinen gesamten Besitz nach der KonMari® Methode auf, um Freiheit auf allen Ebenen zu erfahren und dein Leben wieder neu auszurichten auf das, was du wirklich willst. Nutze die Kraft des Aufräumens dafür, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, und kreiere dir einen Ort, der dich optimal unterstützt.

 

Frauenzimmer

Das Wort Frauenzimmer kann noch eine andere Bedeutung haben. Wenn wir Frauen nicht als Genitiv auffassen, sondern als Mehrzahl, wird aus dem „Zimmer für sich allein“ plötzlich ein Raum für Gemeinschaft. Ich denke an die literarischen Salons des 18. und 19. Jahrhunderts, in denen Frauen (und Männer) zusammenkamen, um über Literatur zu sprechen. Zumeist waren es Gastgeberinnen, die Salonnière genannt wurden und ihre Türen zu Beisammensein und Austausch öffneten. Herrlich, wenn man dies wieder aufleben lassen könnte! Ach, wir leben 2023, wir können alles! Lasst uns Buch-, Back-, Näh-, Business- oder sonstige Clubs ins Leben rufen und Frauen einladen, miteinander ins Gespräch zu kommen und gemeinsame Zeit zu verbringen. Vive le Frauenzimmerrevival! (Und dieses Wort wurde nicht einmal von Word moniert 😉.)

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