#70: Konsum per Klick - Wie du dein Onlinebestellverhalten reformierst

Ein Klick und schon bestellt. Wenn wir ein Paket erhalten, ist das oft, als würden wir ein Geschenk bekommen. Aber wer schenkt hier wem etwas?

Schon lange wollte ich einen Text zum Thema Onlineshopping schreiben. Jetzt bietet sich mir die perfekte Gelegenheit. Denn ich war vor kurzem im Museum. Genauer gesagt im Museum der Arbeit in Hamburg Barmbek. Dort gibt es momentan noch bis August 2025 die Ausstellung „Dein Paket ist da! Shoppen auf Bestellung“ . Die Ausstellung versammelt auf eindrucksvolle Weise Fakten und Fragestellungen rund um das Thema Versanddienstleistung und regt dabei zum Hinterfragen des eigenen und des gesamtgesellschaftlichen Konsumverhaltens an. Ich fand es sehr interessant, die Geschichte des Versandhandels nachzuvollziehen (erinnerst du dich noch an Quelle, Otto oder Neckermann?), und die Exponate haben noch lange in mir nachgewirkt.

Besonders spannend finde ich die Frage: Wie können wir uns auf der Konsument*innenseite verhalten, um die Erfahrung „ Onlinebestellung” für alle Akteur*innen positiver zu gestalten? Heute möchte ich meine Lösungsansätze mit dir teilen.

Wir haben bereits viel…

Ein durchschnittlicher Haushalt in Deutschland soll 10.000 Dinge besitzen. Wie diese Zahl genau ermittelt wurde oder ob es überhaupt möglich ist, eine solche Zahl zu ermitteln, sei mal dahingestellt. Interessant ist doch, dass wir Menschen offenbar das Bedürfnis verspüren, unseren Besitz zu organisieren, zu klassifizieren. Denn was ist das Zählen anderes als der Versuch einer Einordnung, die Herstellung von Vergleichbarkeit? Das Bedürfnis nach einer Zahl entsteht meiner Meinung nach erst dann, wenn die Menge der Güter nicht mehr so einfach zu überblicken ist, wenn sich eine gewisse Masse an Gegenständen angehäuft hat, die sozusagen nicht mehr an einer Hand abzählbar ist. Die genaue Anzahl an Dingen, die ein durchschnittlicher Haushalt hierzulande umfasst, ist egal. Fest steht: Der durchschnittliche Haushalt umfasst so einiges.

und wollen noch mehr!

Und welche Entwicklung ist diesbezüglich in der Zukunft zu erwarten? Wir leben im Zeitalter von E-Commerce, das heißt, wir kaufen (und verkaufen) Waren im Internet. Mit Features wie virtuellen Warenkörben, die sekundenschnell befüllt werden können, Versand am selben Tag oder flexiblen Zahlungsmethoden eröffnet sich eine Konsumwelt, in der immer schneller, günstiger und reibungsloser eingekauft werden kann. Hürden werden kleiner, Anreize – durch ausgefeiltes Marketing seitens der Unternehmen – immer größer. Bei diesen Bedingungen ist es nur wahrscheinlich, dass der durchschnittliche Besitz im globalen Nordwesten weiter ansteigen wird. Was können wir tun, um die Zahl der Onlinebestellungen einzudämmen oder diese zumindest nachhaltiger zu gestalten?

 

Mute Temu

Kennst du Temu? Ich erst seit kurzem. Neuerdings taucht bei jeder Suchanfrage immer dieses extra günstige Angebot auf – das ist dann garantiert von Temu. Temu ist ein Onlinemarktplatz, der direkt zwischen chinesischen Händlern und europäischen Verbraucher*innen vermittelt (also kein eigenes Warenlager betreibt) und dadurch extrem niedrige Preise und Rabatte sowie kostenlosen Versand anbieten kann. Dafür erhält man dann Ware in schlechter Qualität, mit falschen Produktbeschreibungen oder fehlender Bedienungsanleitung. Der Verbraucherschutz warnt auch vor erheblichen Sicherheitsrisiken. So könnten giftige Stoffe oder schlecht verarbeitete Materialien zum Einsatz kommen und Standards zum Umwelt- oder Gesundheitsschutz würden von Temu oft nicht eingehalten.

Für mich ist Temu – zusammen mit dem Billig-Shop Shein – das Paradebeispiel für schnellen und billigen Konsum, der dem gesamten Planeten schadet. Diese Onlineshops wirtschaften alles andere als nachhaltig und sozial. Klar, sie ermöglichen uns den superbilligen Einkauf von auf den ersten Blick attraktiven Waren: Eine Smartwatch für zehn Euro, wer hätte die nicht gern? (Disclaimer: Ich!) Aber diese „Billig-Mentalität“ „geht zu Lasten der endlichen Ressourcen unserer Umwelt“.

Siehst du das auch so? Dann folge meinem Beispiel und stelle bei allen Angeboten von Temu und Co. auf Durchzug. Muten (von dem englischen Verb to mute = stumm schalten) kann man nämlich nicht nur seinen Klingelton. Auch die allgemeine Aufmerksamkeit Billigangeboten gegenüber kann man dämpfen. Was du brauchst, ist kein Riesenkonzern, der die Welt mit Paketen überflutet. Was du brauchst, ist dessen Anagramm! Und dann richte in einem zweiten Schritt deine Aufmerksamkeit auf Onlineshops, die Umwelt- und Sozialstandards einhalten, die sich für fairen Lohn und einen sicheren Arbeitsplatz für ihre Angestellten einsetzen, die ökologisch verträglich mit den Ressourcen umgehen und nachhaltig wirtschaften. Online Dinge bestellen ist nicht per se schlecht. Aber wir alle können darauf achten, wie und wo wir das tun.

 

Amazone statt Amazon

Eine augenöffnende Statistik aus der oben erwähnten Ausstellung ist die folgende: Der Neckermann-Katalog umfasst in den 1990er Jahren ca. 70.000 Produkte, bei Otto in der App sind es heute ca. 18 Millionen (ja, Otto gibt es immer noch!) und Amazon hält geschätzte 480 Millionen (!) Produkte für uns bereit. Eine schier unfassbare Menge an Gütern steht uns täglich zur Verfügung. Fun Fact: Ein heutiger Amazon-Katalog wäre 220 Meter dick!

Und Amazon und Co. wissen ganz genau, wie sie uns dazu bringen, auf „Kaufen“ zu klicken. Dabei erwerben die meisten von uns ganz „normale“ Dinge über Amazon. Eine Übersicht der von Amazon Deutschland in den letzten 25 Jahren meistverkauften Produkte enthält unter anderem: Batterien, Ladekabel, Kaffeemaschinenreinigungsmittel, Katzenstreu sowie Bücher („Fifty Shades of Grey“, „Das Café am Rande der Welt“ und „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ – WTF???). Ganz alltägliche Dinge beziehungsweise solche, die man auf jeden Fall auch woanders, sprich analog, vor Ort bekommt. Zugegeben: Man braucht Füße dafür, ein bisschen Zeit und vor allem Muße. Da nutze ich doch lieber das Amazon-Angebot, ganz nach dem Motto: „Sich Wünsche erfüllen und dafür nicht einmal das Haus verlassen müssen? Der Versandhandel macht das seit rund 150 Jahren möglich.“ Den maximalen Komfort anstreben, nur an sich denken, das ist Amazon.

Doch, oh Wunder, bin ich nicht die Einzige, die an der „Wertschöpfungskette“ beteiligt ist. Meine Bestellung ist eingebettet in ein komplexes Netzwerk, ein Beziehungsgeflecht, in dem die unterschiedlichsten Akteur*innen jeweils ihre spezifische Rolle ausführen. Meine Rolle in dem Ganzen kann von mir selbst definiert werden: Bleibe ich bequem zu hause und lasse die Schwerstarbeit von anderen erledigen, die prekär für Mindestlohn arbeiten? Oder bin ich bereit, auch mal hinter die Kulissen zu gucken, über die Arbeitsbedingungen der an der „Kette“ Beteiligten zu reflektieren und mir den Wert dieser Tätigkeiten bewusst zu machen? Dann kann ich zur Amazone werden, einer wagemutigen Kämpferin. Als Amazone ermächtige ich mich selbst (indem ich zum Beispiel Angebote wie die von Temu ignoriere, s. oben) und eigenständig darüber entscheide, was ich wann, in welcher Menge und zu welchem Preis konsumieren will. Als Amazone überlege ich mir: Kaufe ich, weil ich muss oder weil ich will? Als Amazone bin ich stark, d.h. nicht zu faul, mir nicht zu schade, etwas mehr Zeit in Recherche oder den physischen Einkauf im nächsten Ort zu investieren – weil ich um die Vorteile dessen weiß. Let’s all be more AmazonE!

 

Und wenn du doch mal etwas bestellen musst?

In Deutschland bekommt jeder Haushalt im Jahr durchschnittlich 50 Pakete, das ist ungefähr ein Paket pro Woche. Kommt hin, oder? Um diese Zahl zu reduzieren (oder zumindest nicht weiter nach oben zu treiben), sollten wir vor einer Bestellung ganz genau darüber nachdenken, ob wir A) den entsprechenden Gegenstand wirklich (jetzt) benötigen und ob wir B) ihn nicht auch woanders, d.h. analog bekommen können. Haben wir A) mit Ja und B) mit Nein beantwortet, kommen wir um eine Onlinebestellung wohl nicht herum. Und das ist dann auch okay! Manchmal „müssen“ wir einfach etwas bestellen. Sei es, weil die Zeit zu knapp geworden ist, um es im nächsten Geschäft zu suchen, weil es wirklich halb so teuer ist als im Laden oder weil es in diesem schlichtweg einfach nicht zu bekommen ist. Es gibt gute Gründe dafür, etwas online zu bestellen. Gleichzeitig kann man dann versuchen, das Gesamterlebnis für alle Beteiligten (auch die Umwelt!) so angenehm wie möglich zu machen. Hier kommen vier Tipps für dich!

Vier Tipps für einen angenehmen Versand für alle:

  1. Grundregel: Wenn du etwas bestellst, sei auch da! Achte darauf, dass du zuhause bist, wenn du ein Paket erwartest. Denn sonst ist es entweder für den/die Paketbot*in extrem aufwendig oder deine Nachbar*innen müssen herhalten. Also, wenn du nicht gerade im Homeoffice arbeitest, solltest du Pakete lieber direkt an einen Paketshop bestellen. Andernfalls müssen die Bot*innen es erst bei dir Zuhause versuchen und in einem zweiten Schritt dann doch den Paketshop anfahren. Doppelte Arbeit = unnötige Arbeit.

  2. Holzkohle, Hanteln, Hundefutter? Wenn du schon schwere Sachen bestellen musst, hinterlass eine Nachricht (digital oder analog an der Haustür) für den/die Postbot*in, dass er/sie es unten im Hausflur/an der Auffahrt abstellen kann. Trag es dann selber nach oben/in dein Haus. Alternativ, wenn das Paket zu dir getragen wurde, halte Trinkgeld oder eine andere Aufmerksamkeit (z.B. Schokolade) bereit. Eine kleine Wertschätzung für den Rücken des/der Warenbringer*in!

  3. Vorausplanung entlastet das Saisongeschäft! Dies ist ein Punk für Fortgeschrittene. Von den im Schnitt 50 Paketen, die wir im Jahr erhalten, entfallen wahrscheinlich 48 auf den Dezember. Kleiner Scherz. Aber wie du dir sicherlich denken kannst, gibt es in der Vorweihnachtszeit ein besonders hohes Paketaufkommen. Diese Zeit ist für die ausliefernden Personen besonders anstrengend. Plane deshalb RECHTZEITIG! Vorausplanung ist sowieso ziemlich nice. Ich plane beispielsweise gerade den Adventskalender für eine Freundin. Es ist März? Ganz genau, mir bleiben nur noch neun Monate für vierundzwanzig Dinge, ganz schön wenig Zeit! Du musst nicht so ein Freak sein wie ich, um diesen Punkt zu verstehen. Hoffe ich.

  4. Zeig deine Dankbarkeit! Es sollte selbstverständlich sein, dass wir uns generell respektvoll und anerkennend gegenüber den Menschen verhalten, die uns unsere Waren nach Hause liefern (und gegenüber allen anderen natürlich auch). Sei es der/die Paketbot*in oder die Person vom Lieferdienst: Der Job, den diese Menschen täglich machen, ist in der Regel stressig und schlecht bezahlt. Überleg dir einmal, ob du gerne in deren Haut stecken würdest. Um deine Dankbarkeit auszudrücken, kannst du eine nette Nachricht an deinen Briefkasten kleben, Süßigkeiten in den Flur stellen, Trinkgeld geben – oder einfach nett und freundlich sein!

So, das waren meine heutigen Gedanken zum Thema Onlinebestellung. Ich bin in diesem Text nur auf das Bestellen an sich eingegangen, also vor allem den Konsumanreiz, den diese Möglichkeit schafft, und darauf, wie man Herr*in über sein Onlinebestellverhalten bleiben/werden kann. Es gibt sicherlich noch ganz viel anderes zu diesem Thema zu sagen. Wenn du magst, schreib deine Meinung gerne in die Kommentare!

 

 

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