#49: KonMari® und Nachhaltigkeit: Wie die Methode dabei hilft, (umwelt)bewusster zu werden
Unter dem Schlagwort Climate Forward erstattet die New York Times regelmäßig Bericht über Umweltthemen. Ziel ist, sich auszutauschen, Fragen zu beantworten und so letztendlich Lösungen für die Klimakrise zu finden. Im September 2023 fand dazu ein Event statt, zu dem bekannte Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen und Innovator*innen geladen wurden. Auch Marie Kondo, die japanische Aufräumexpertin, wurde interviewt. Man fragte sie, ob ihre berühmte KonMari® Methode dabei helfen könnte, nachhaltiger zu werden. Ihre Antwort und meine eigene Meinung möchte ich in dem heutigen Blogpost vorstellen. (Kleiner Disclaimer vorab: JA!)
Enkeltauglich oder zukunftsfähig?
Vorab die Frage: Was versteht man eigentlich unter Nachhaltigkeit? Wie zu erwarten war, gibt es keine einheitliche Definition. Konsultiert man die Website des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), bedeutet Nachhaltigkeit, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. Andernorts liest man als Grundsatz für nachhaltiges Handeln, dass der Natur nur dann Ressourcen entnommen werden dürfen, wenn sie sich wieder regenerieren kann.
Die erste Definition ist ziemlich anthropozentrisch, denn mit „zukünftigen Generationen“ sind ganz sicher keine Baum- oder Heuschreckenarten gemeint. Vielmehr klingt es hier so, als wäre Nachhaltigkeit eine Strategie, die uns Menschen weiterhin den gewohnten Komfort bieten soll, so lange und so hoch wie möglich. Es gilt, die Natur (nur) so weit zu erhalten, wie es für die Menschen schön und angenehm ist. Häufig hören wir in diesem Zusammenhang auch den Begriff der Enkeltauglichkeit. Ich frage mich, was mit der Eichen- oder Eisbärentauglichkeit ist.
Besser gefällt mir daher die zweite Definition, quasi die Ressourcenregenerationsrettung (RRR). Die empfinde ich als umfassender, da sie in einem weiteren Verständnis sowohl natürliche als auch mentale und emotionale Ressourcen in den Blick nimmt. Und darum geht es meiner Meinung nach: Eine ganzheitliche Herangehensweise, die Mensch und Umwelt als Gesamtkomplex sieht. Denn wenn wir anstatt enkeltauglich (denn mal ehrlich, wer weiß heutzutage schon noch, ob er überhaupt mal Enkel*innen haben wird?) zukunftsfähig werden wollen, müssen wir lernen, ressourcenschonend zu agieren. Nachhaltigkeit hat dabei für mich nichts mit Rückschritten zu tun, eher mit Rückbesinnung – und zwar auf das, was wirklich wichtig ist. Und mit dem Dankbarsein für die Ressourcen, die schon da sind und deren Regeneration uns zukunftsfähig macht.
Das kleine Umweltbewusstsein
Im Grunde genommen ist unser Zuhause unsere kleinstmögliche Umwelt. Wenn wir unser Zuhause einrichten, erschaffen wir sozusagen unser eigenes kleines Ökosystem. Manchen Menschen ist es nicht so wichtig, wie es in ihren eigenen vier Wänden aussieht; sie geben sich schnell zufrieden und haben keine besonders hohen Ansprüche. Eine Küche soll drin sein, klar, Funktionalität ist wichtig, aber wie genau die Arbeitsfläche oder Sofaecke aussieht, ist ihnen mehr oder weniger egal. Andere wünschen sich hingegen, dass ihr Zuhause zu einem besonderen Ort wird, einem echten Wohlfühlzuhause. In einem Zuhause kann man sich aber nur dann wohlfühlen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Denn damit ein Ökosystem reibungslos funktioniert, ist es wichtig, die Bedürfnisse der in ihm lebenden Wesen zu kennen.
Der zentrale Aspekt beim Aufräumen nach der KonMari® Methode ist der sogenannte Joy Check, bei dem man alle Dinge einer Kategorie nach und nach durchgeht, in die Hand nimmt und in sich hineinhorcht. Von Zeit zu Zeit gibt es dann diesen Moment, in dem einem klar wird, dass man eine Sache gernhat. Marie Kondo sagt, dass man in diesem Moment wirklich ein Gefühl der Freude empfindet: Man merkt förmlich, wie die Zellen aufwachen, ein Sonnenstrahl durch den Körper geht und es auf diese angenehme Art und Weise anfängt zu kribbeln. Wenn man dieses Gefühl hat, kann man sicher sein, dass die Sache joy sparkt – dann sollte man sie unbedingt behalten!
Der Prozess des Joy Checks schärft unsere Sensibilität für das, was uns anspricht und was abtörnt. Indem wir eine Sache in die Hand nehmen und versuchen, ins Fühlen zu kommen anstatt rational zu entscheiden, schulen wir unsere Sinne: Den Tastsinn, wenn wir mit der flachen Hand über ein Kleidungsstück streichen, den Hörsinn, wenn wir den Stoff zwischen unsere Finger nehmen und es leise raschelt, den Geruchssinn, wenn wir daran schnuppern. So kommen wir wieder mehr in Kontakt mit unserer Umwelt, stärken unsere Wahrnehmung von dem, was uns umgibt. Aber auch von dem, was in uns ist, was uns ausmacht. Wie möchten wir leben? Wir werden uns über den Joy Check mehr und mehr unserer (Wohn-)Bedürfnisse bewusst und eignen uns auf diese Weise schonmal ein kleines Umweltbewusstsein an.
Back to the roots (of happiness)!
Mithilfe des Joy Checks – also dem Prozess, in dem ich mich meinem Besitz mit der Frage „Does it spark joy?“ zuwende – finde ich heraus, was ich behalten und was loslassen möchte, und komme dadurch der Quelle der Freude Schritt für Schritt näher. Wer noch einen weiteren Schritt gehen und mehr über sich selbst lernen will, sollte aber eine Sache nicht vergessen: Die Wurzel-Behandlung! Es wäre definitiv eine vertane Chance, wenn man nach dem Joy Check die aussortieren Sachen unreflektiert wegbringt. Denn das wäre wie Schmerztabletten zu nehmen, um die Zahnschmerzen, die von einem entzündeten Zahn herrühren, nicht mehr spüren zu müssen: Die zeitweise Behebung von Symptomen. Vielmehr solltest du dich fragen, warum diese Dinge überhaupt in deinem Leben gelandet sind. Packe das Problem an den Wurzeln! (Lies hier nach, welche 5 Fehler du beim Aufräumen nach der KonMari® Methode unbedingt vermeiden solltest!)
Die Wurzel-Behandlung
Tritt in einen inneren Dialog mit dir selbst, in dem du ergründest, warum du einen bestimmten Gegenstand in dein Leben gelassen hast. Egal ob du ihn aktiv gekauft oder geschenkt bekommen und einfach behalten hast: Frage dich, warum dieser Gegenstand (noch) da ist. Möchtest du nach außen hin ein bestimmtes Bild repräsentieren? Verfällst du leicht dem Frustshopping und kaufst immer dann besonders viel, wenn es dir gerade nicht gutgeht? Versuchst du dir auf der Ebene des Konsums Träume zu erfüllen, die du vielleicht in einem ganz anderen Bereich hast, die dir dort aber unerreichbar scheinen? Was sagt dein Konsum über dich aus? Ja, hier kann es unangenehm werden. Wie bei einer Wurzelbehandlung eben. Aber es lohnt sich, weil du danach geheilt und schmerzfrei bist. Nimmst du das Ausmisten ernst, stellt sich ein Lerneffekt ein: Du weißt immer besser bescheid über deine Vorlieben und Abneigungen, kannst in der Folge deine eigenen Kaufstandards ändern und so Fehlkäufe vermeiden.
Hinter der KonMari® Methode steckt also auch die Philosophie, dass du durch die Rückbesinnung auf das, was dich glücklich macht, zu einem bewussteren Lebensstil gelangst. Schlussendlich führt das Hinterfragen des eigenen Konsumverhaltens nämlich zu einem bewussteren Umgang mit Ressourcen und hilft dadurch tatsächlich dabei – tada! – nachhaltiger zu leben.
Dankbarkeit praktizieren
Die KonMari® Methode des Aufräumens hilft also durch den Fokus auf Freude und die Anregung zur Reflexion dabei, bewusster zu konsumieren und dadurch Ressourcen zu schonen. Ein weiterer Aspekt der Methode fördert ebenfalls das nachhaltige Handeln: Das Praktizieren von Dankbarkeit. Marie Kondo empfiehlt, dass man sich bei jedem Gegenstand, den man gehen lässt, bedankt. Das Bedanken ist einerseits eine Anerkennung dafür, dass der Gegenstand das eigene Leben bereichert oder uns zumindest etwas gelehrt hat. Andererseits vermeidet man durch das Ausüben von Dankbarkeit, später ein schlechtes Gewissen zu haben und das Aussortieren womöglich zu bereuen. Dankbarkeit hilft uns zudem dabei, die Fülle anzuerkennen, die bereits jetzt in unserem Leben ist, und ist deshalb ein probates Mittel gegen das Immer-mehr-haben-Wollen unserer heutigen Zeit.
Wie wär’s, wenn du dich mehr auf das konzentrierst, was du bereits besitzt? Zeige deinen Schätzen deine Dankbarkeit, indem du sie wertschätzend und möglichst sichtbar oder leicht zugänglich aufbewahrst. Mach es dir dann zur Gewohnheit, regelmäßig „Danke” zu sagen. Zur Müslischüssel: „Danke dafür, dass du mir jeden Morgen ermöglichst, ein wohltuendes Porridge zu essen, ohne dass ich mir die Hände verbrenne.”, zur Winterjacke: „Danke, dass du mich warmhältst, damit ich nicht krank werde.”, zu den Schuhen: „Danke, dass ihr mich sicher durch den Tag tragt und dabei meine Füße schützt und vor Schmutz bewahrt.” Du kannst dir auch ein Board der Dankbarkeit einrichten, in das du monatlich die Gegenstände stellst, für die du gerade besonders dankbar bist. Das kann zum Beispiel in einer Prüfungsphase etwas sein, das dir Mut macht, in einer kreativen Phase etwas, das dich inspiriert usw. Marie Kondo bedankt sich auch vor dem Aufräumen beim Haus oder der Wohnung für die Mithilfe beim Finden von geeigneten Verstauräumen. (Lies mehr über die Bedeutung und das genaue Vorgehen beim Home Greeting in diesem Blogpost) Was will ich sagen? Wenn man will, findet man viele Möglichkeiten, dankbar zu sein.
Nachhaltiger leben durch Aufräumprävention
Tatsächlich hilft nicht nur das Aufräumen an sich dabei, nachhaltiger und bewusster zu leben, sondern auch die Unlust daran. Denn wer keine Lust hat, Berge von Zeug auf-, weg-, oder von A nach B zu räumen, sollte am besten gar nicht erst zuviel Zeug anschaffen. Aufräumprävention nenne ich das. Hier kommen meine zehn besten Tipps*:
1. Kaufe nichts Neues.
2. Vermeide es, in Geschäfte zu gehen, wenn du nichts Bestimmtes benötigst.
3. Hinterfrage dein Konsumverhalten: Welches Bedürfnis willst du eigentlich stillen?
4. Lass dir mehr Zeit mit der Kaufentscheidung und schlafe eine Nacht drüber.
5. Mach das Beste aus dem, was du hast, anstatt zu überlegen, was du hinzufügen kannst.
6. Frage dich: Brauche ich es wirklich? Habe ich schon etwas Ähnliches? Gefällt mir das noch in sechs Monaten?
7. Überleg vor dem Kauf, wo du das Teil aufbewahren willst.
8. Leihe etwas aus, anstatt es zu kaufen.
9. Refuse! Lehne Flyer, Give aways und Werbematerial ab.
10. Etabliere eine No-Present-Policy in Freundeskreis und Familie.
*Ein paar der Tipps sind inspiriert von Minimal Mimi.
Das Zuhause ist die kleinste Umwelt, in der wir leben. Wenn es uns gelingt, diese im Sinne der Freude aufzuräumen, wird diese Energie auch auf andere Lebensbereiche überschwappen. Lerne im Kleinen nachhaltig zu agieren, damit du es auch im Großen schaffst. Lasst uns Stück für Stück bewusster werden und in eine Zukunft investieren, die für alle joy sparkt!